Fehlt es dir in dieser Zeit manchmal auch an Vertrauen?

Vertrauen in was, fragst du dich jetzt vielleicht?

Vertrauen in unser Weltgeschehen mit der Geschwindigkeit der sich überschlagenden Ereignissen, in unsere Mitmenschen oder an die grosse Gerechtigkeit, die scheinbar nie oder sehr selten eintrifft?

Vertrauen in uns oder in das Grosse und Ganze, das Leben?

 

«Ich durfte in diesen Sommer dieses Vertrauen einmal mehr spüren»

 

Creux du Van – Der Canyon der Schweiz

Zusammen mit meinem Mann und unserer erwachsenen Tochter, machten wir einen Ausflug in den schönen Kanton Neuenburg, um eine Wanderung auf den Creux du Van zu machen. Auf diese Wanderung haben wir uns schon lange gefreut. Denn der Creux du Van gilt als Canyon der Schweiz und diese gewaltige Felsenarena, ragt mit einer Höhe von 160 Metern senkrecht in den Himmel empor.

Nach dem schweisstreibenden Aufstieg, durften wir ein atemberaubendes Panorama auf diesem halbmondförmigen Plateau geniessen.

Keine nervigen Touristenströme aus Asien, dafür eine angenehme und ehrfurchtsvolle Stimmung empfing uns.

Fotos – in Hülle und Fülle

Fast bei jedem Schritt konnte man Sujets für ein Foto knipsen, in dieser unglaublichen Landschaft. Schmetterlinge, wilde Blumenpracht, grasende Kühe hinter von Hand aufgeschichteten Steinmauern. Felsenschwalben die sich vor allem hier in solchen Gegenden der Schweiz wohlfühlen und uns ihre halsbrecherischen, akrobatische Flugkünste in den Lüften und über Felskanten zeigten. Völlig unbeeindruckt grasten 160 Meter unter uns Gämsen.

Keine Abzäunung für die Besucher – Vertrauen an die eigene Selbstverantwortung, wird auf Schildern hingewiesen

Kaum vorstellbar, dass es keine Abzäunung vor dem senkrechten Abgrund gab. Nur für die Kühe waren von Hand aufgeschichtete Steinmauern da, die ab und zu durch schmale Öffnungen Durchgang für die Besucher offenliessen. Doch wenn man den einen Selfie Künstlern zuschaute wie nah sie dem Abgrund kamen, konnte es einem schon flau in der Magengegend werden.    

So viele Fotos habe ich mit meinem Handy geschossen, dass ich meinen Führerausweis und meine dreissig Franken Notgroschen, in Form eines 10er und eines 20er Nötlis, die ich in der aufklappbaren Handyhülle verwahrte, ganz vergas.

Mittendrin – bei den Steinböcken

Vor dem Abstieg des Plateaus des Creux du Van, gab es noch mein ganz persönliches Highlight.                          Mitten auf dem Abstiegsweg, grasten eine ganze Herde von Steinböcken, Muttertiere mit ihren Jahrtieren und den ein paar Wochen alten Jungtieren. Die kleinen Knirpse spielten und kämpften ein paar Meter von uns entfernt, die Jahrtiere beobachteten uns interessiert, aber ganz entspannt. Am besten gefielen mir die Muttertiere, sie waren so was von selbstsicher und gelöst. Grasten auf dem Weg mitten unter den Besuchern, Körper an Körper mit uns Menschen, ohne das Grosse und Ganze aus den Augen zu verlieren, ihre Herde.

«Als wäre man in einer ganz anderen Welt»

Es war ein solch bewegendes Bild, mit einer solch ehrfurchtsvollen Stille, als besuchte man eine Kirche. Keiner dieser Menschen dort, hat ein Tier angefasst obwohl man nur die Hand auszustrecken brauchte.

Alles, so kam es mir vor, wurde im Zeitlupentempo ausgeführt. Jeder Schritt wurde sorgfältig gewählt und es wurde nur im Flüsterton gesprochen, um diesen Zauber so lange wie möglich nicht zu brechen und die Tiere nicht zu erschrecken, als wäre man in einer ganz anderen Welt. Ganz bei sich, aber doch hier an diesem friedlichen Ort, in diesem ganz besonderen Zeitfenster.

«Was für einen gegenseitigen Respekt und Vertrauen man hier spüren konnte»

Als wir unseren Abstieg geschafft hatten, nahmen wir unten am Fusse des hochaufragenden Creux du Van, in einer Gartenwirtschaft Platz und genossen unsere wohlverdientes Tortenstück «Forêt-Noire», zusammen mit einem erfrischenden Getränk. Erst als ich wieder ein Foto von einem kleinen Vogel knipsen wollte, bemerkte ich das Fehlen meiner Nötli und meines Fahrzeugausweises in meiner Handyhülle.

«Oh Schreck»

Oh Schreck, früher wäre ich ausgerastet und voller Sorgen um meine verlorenen Habseligkeiten gewesen. Mein Mann und meine Tochter warteten vergebens auf eine solche Reaktion von mir.

Was war bloss mit mir geschehen? 

Ehrlich gesagt ich weiss nur, dass ich sehr ruhig blieb und meinen Kuchen genoss.  Mich überkam eine Ruhe, eine grosse Gelassenheit und fing damit an, eine erfundene Geschichte zusammen zuspinnen. In dieser Geschichte nahm jemand meine 30 Stutz – ich mag sie diesem Jemanden von Herzen gönnen, denn vielleicht brauchte diese Person genau diesen Betrag für seine eigene Geschichte – meinen Fahrausweis wurde von einer anderen Person, einem älteren Menschen gefunden und aufgehoben. Ich sah auch, wie die Person mir meinen Ausweis per Post zusenden wird.

Meine Tochter konnte es nicht glauben was ich getan hatte und meint nur: « Ein Fahrausweis hat nichts in einer Handyhülle zu suchen!» Punkt und Schluss.

Mein Mann dagegen wollte mich auf der Rückreise bearbeiten: « Jetzt musst du halt ein Foto von dir machen lassen und einen neuen Ausweis bestellen!»

Nein, ich wollte kein neues Foto, ich wollte mein altes Bild zusammen mit meinem Ausweis

Mein Sohn zuhause schüttelte nur den Kopf und meinte. « Jetzt hast du halt eine Doppelgängerin, die Unfug mit deinem Ausweis macht!»

Auch das machte mir nichts aus, denn ich war der festen Überzeugung «mein Ausweis wird seinen Weg zurück zu mir finden».

In der Nacht darauf träumte ich sogar von meinem Fahrzeugausweis. Genau wie in meiner « gesponnenen Geschichte», sah ich eine alte Hand – ich glaube die von einem Mann – die meine Karte aufhob, sie betrachtete und sie später in ein Couvert legte, um sie an einer Poststelle abzugeben.

Ich denke ihr wisst jetzt was kommt, ja genau, meine Karte kam mit der Post, ca. 10 Tage nach unserer Wanderung. Und zwar wurde dieses Couvert an das Verkehrsamt Schwyz gesendet, die es öffneten, um es dann in einen grösseren Umschlag zu stecken und an meine Adresse zu senden.

Et voilà…am Mittag konnte ich meiner staunenden Familie meinen verlorenen Fahrausweis präsentieren…ohne Nötli.

Schade an dieser Geschichte ist nur, keinen Absender vorgefunden zu haben. An meinem Ausweis klebte nur ein Post-it Zettel, mit den Worten « Gefunden im Jura, Gruss». Die Handschrift auf dem Zettel, wie auch die auf dem Couvert an das Verkehrsamt adressiert, war alt und krakelig – so wie auch meine Grosseltern sie hatten, mit den gleichen alten Buchstaben. Frankiert war das Couvert mit solch alten Marken, wie ich sie noch nie gesehen habe, die eine vom Jahr 1967.

«Also was will uns diese Geschichte wohl sagen?»

  • Habe mehr Vertrauen in deine Intuition.
  • Vertraue auch ab und zu deinen Mitmenschen, auch wenn es nicht immer leicht fällt.
  • Vertraue dich dem Leben an.
  • Und vor allem vertraue, dass es mehr auf dieser Welt gibt, als wir mit unserem Verstand überhaupt              verstehen können.

«Vertraue dem Leben, lockere dein Kontrollbedürfnis und lass es geschehen, vielleicht ist dann das Ergebnis nicht dasselbe, aber auf jeden Fall ein viel leichteres».

 

Und an die Adresse aller stillen Helden des Alltags: «Bitte hinterlasst bei eurer nächsten Heldentat einen Absender, damit man sich gebührend über die Freude die man als Beschenkter verspürt, bedanken kann».